Oder: wie ich dann doch noch eine Stadtbesichtigung machte
Marseille gehört zu jenen Städten, die sich Dir erst auf den 2. Blick öffnen. Wie eine Muschel ist sie anfänglich verschlossen und wenn sie Dich dann an sich heranlässt, zeigt sie ihre Schönheit und wie außergewöhnlich sie ist.
Ich wollte meinen Vespa freien Tag nicht gesamt im Hotelbett verbringen und daher entschied ich spontan nach dem Frühstück etwas zu tun, das ich eher selten mache, mich einer Stadtführung anzuschließen.
Die Hop on Hop off City Bus Tour mit dem Colorbüs Marseille war für mich das geringste Übel, da ich wusste ich konnte jederzeit aussteigen und auf eigene Faust, ohne regenschirmbewaffneten Guide, die Gegend erkunden. Ja, ihr denkt richtig. Ich werde mit zunehmendem Alter ein kleines bisschen misanthrop 😊.
Gesagt getan, ab in die Metro zum Alten Hafen, von dort starten so ziemlich alle Touren. Als ich aus der Metro herauskam umhüllte mich dieser wunderbare Geruch von Hafenstädten am frühen Morgen, wenn die Fischer mit ihren Kuttern zurückkommen und ihre wertvolle Fracht feilbieten. Der Fischmarkt bestand aus nur 4-5 Anbietern, aber die Menschentraube war beeindruckend. Es war Sonntag und soweit ich den Gesprächen folgen konnte, wurde der frische Fang für die mittägliche Bouillabaisse erstanden. Da zeigte sich Marseille mir maritim und authentisch.
Da ich noch Zeit hatte, schlenderte ich – nun ausgeruht – den alten Quai entlang und fand dieses kleine Seifengeschäft und dann eine Bäckerei, wie ich von einem neben mir stehenden Marseiller erfuhr handelt es sich um die älteste Bäckerei, die die sogenannten Schiffchen – Navettes – nach einem uralten geheimen Rezept backen. Ursprünglich wurde das längliche Gebäck mit dem feinen Geschmack nach Orangenblüten nur zu den Lichtmessfeiern gebacken. Das Geheimnis der Herstellung dieses Gebäcks wird seit 200 Jahren in der Bäckerei nahe der Abtei Saint – Victor eifersüchtig bewacht und von Generation zu Generation weitergegeben.
Da war er, ein weiterer Teil von Marseille – die Tradition, auf die alle Einwohner so stolz sind – die Zeit drängte und eh ich es mich versah, saß ich im oberen Freideck des Colorbüs. In der hintersten Reihe und meine Tasche vorausschauend am Nebensitz!
Die nächsten Stunden zeigten mir ein facettenreiches, traditionelles, topmodernes Marseille, das die Eleganz der Franzosen mit der Bodenständigkeit maritimer Einflüsse verbindet und zwischen Antike und Moderne ein schillerndes Band flicht, das mich in den nächsten Stunden immer wieder begeisterte.
Auf der einen Seite beeindruckte mich die die Anlage der Stadt, die ein wenig an Lissabon erinnert mit den unzähligen steil nach oben führenden Gässchen, den hoch oben gelegenen monumentalen Bauten und den vielen Parks, die kunstvoll hineingesetzt wurden. Die Bauten zeigen sich oft mit französischen Balkonen und filigranen schmiedeeisernen Geländern.
Auf der anderen Seite bemühte man sich die ausladenden Hafenbefestigungen und Speicher modern zu nutzen – ein wenig wie in Hamburg – und daraus sogar richtige Kunstmeilen zu schaffen. Für diese Stadt der Zukunft wurden viele namhafte und preisgekrönte Architekten gewonnen, die sich hier verewigt haben und die Balance zwischen antik und modern, zwischen Eleganz und Bodenständigkeit, zwischen Boudoir und Schiffskajüte eingehalten haben.




Die vielen Kirchen und Kathedralen in Marseille zeugen von der kontinuierlichen Veränderung und den vielen Strömungen, die hier aufgenommen wurden. Über allem thront Notre Dame de la Garde und wacht über die Stadt. Interessant sind dort die Schiffsmodelle, die in der Kathedrale aufgehängt sind. Aber auch die Üppigkeit der Cathedrale de la Major ist es wert einen kurzen Halt zu machen.
Marseille muss man zu Fuß erobern, denn der Bus kann nur einen Überblick verschaffen. Das Gefühl vermittelt nur das Begehen der Stadt.
Da gibt es dann auch noch lustige Dinge, wie die Fähre vor dem Rathaus auf die andere Seite des Quais, die angeblich die kürzeste Fähre der Welt ist mit ca. 280m und für 0,50 Euro kann man schnell auf die andere Seite gelangen.
Unbedingt zu bestaunen ist das Mucem, ein Museum für das Mittelmeer, das ca. 30.000 m2 umfasst und mitten im Zentrum an der Einfahrt zum Alten Hafen verortet ist. Das aus dem 17. Jahrhundert renovierte Gebäude erstreckt sich zwischen dem alten Fort Saint-Jean und dem J4 und verbindet diese mit einer hoch über dem Meer liegenden Fußgängerbrücke.
Apropos Meer – Spazierengehen entlang der Corniche, einem 5km langen Weg entlang des Meeres, wo Angler, Jogger, Familien, Dichter, Spaziergänger, Skater ihren Raum finden, vermittelt Urlaubsfeeling zu 100%.
Zurück am Alten Hafen war ich wieder einmal froh mit der Vespa unterwegs zu sein und daher einfach NICHTS einkaufen zu können. Die bunten Taschen hätten sicher ihren Weg in mein zu Hause gefunden.
Es war ein wunderbarer Tag, der mir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl der Unsicherheit wegen der angeblich enorm hohen Kriminalität, gegeben hätte und der mich eines Besseren über die europäische Kulturhauptstadt 2013, europäische Sporthauptstadt 2017 und Kandidat für die Olympischen Spiele 2024, MARSEILLE, belehrt hat.
Ein winziges Hoppla ist mir wieder passiert. Ich habe meine Hoteltürkarte um Zimmer stecken lassen. Aber mit einem großartigen Service einer großartigen Crew ist die Ersatzkarte gleich da gewesen.
Morgen verlasse ich Marseille Richtung Haute Provence und freue mich schon auf den Kontrast nach der Stadt wieder nur Natur zu genießen.
Vielleicht sollten wir manchmal mit unserer Meinungsbildung warten, bis wir alles gesehen haben!
Du könntest glatt als Reiseführerin auch berühmt werden. Alles so schön, und Neugierde weckend beschrieben.
Da kann man wirklich sagen…
Du füllst den Tag mit Leben!!!!!
Bis morgen! In Wien ist es unaushaltbar heiß. 37 Grad.
Lg Gabriella
Selbst leidenschaftliche Vespisti, warten wir täglich auf deinen wunderbaren „Bericht“ und planen mittlerweile selber für 2023. Vielen Dank für all die tollen Inspirationen!
Liebe Grüße aus Salzburg, Karin
P.S. was machen wir nur wenn die 4 Wochen vorbei sind…🙋♂️